Warum ich Fat Acceptance scheiße finde.

Meine Damen und Herren, sammeln Sie schon mal ein paar Steine und Felsbrocken zum Werfen oder holen Sie sich eine Tüte Popcorn.
Es geht um Fat Acceptance. Wie der Name schon sagt, propagiert die zugrunde liegende Bewegung die Akzeptanz übergewichtiger Menschen in der Gesellschaft. Against fat shaming and hate speech, gegen Diskriminierung fetter Menschen.
Das ist per se wirklich begrüßenswert. Menschen wegen ihres Äußeren zu verurteilen, ist scheiße, dem stimme ich zu. Sie deswegen zu benachteiligen oder Ähnliches ebenfalls.
Viele Menschen schreiben auf Blogs oder in Foren, dass sie erst durch die Fat Acceptance-Bewegung gelernt haben, mit sich und ihrem Körper umzugehen, sich darin wohl zu fühlen und sich nicht mehr dafür zu schämen. Liebe Menschen, es ist großartig, wenn ihr euren Körper lieben könnt, wie er ist. Wirklich, seid froh drum!
Was aber nicht begrüßenswert oder großartig ist, sind die Richtungen, in die die Fat Acceptance-Bewegung dann gerne geht.

Fettsein ist toll, Fettsein ist großartig, ich fühle mich in meinem fetten Körper wohl. Schlussfolgerung: Ich bleibe auch fett. Mit meiner neuen Fett akzeptierenden Haltung lebt es sich viel besser und die Kritik von außen an meinem Lebensstil und Körper liegt halt daran, dass fat shaming seit Jahrzehnten in der (patriarchalischen!!!111elf) Gesellschaft verwurzelt ist. Ich will nicht abnehmen, nur weil Schlanksein ein von der Gesellschaft unterstütztes Schönheitsideal ist. Abnehmen ist ungesund und gefährlich, ebenso Sport. Sportverletzungen kosten das Gesundheitssystem viel mehr als Krankheiten, die durch Übergewicht entstehen. (Ja, das Argument gibt es tatsächlich.) Allgemein gesehen ist Übergewicht gar nicht ungesund, übergewichtige Menschen haben eine höhere Lebenserwartung als dünne Menschen (?!) und Übergewicht schadet dem Körper überhaupt nicht. Und, Abnehmen, das funktioniert eh nicht und ist der totale Mist, bei mir hat das jedenfalls nicht funktioniert.
Ich bin und bleibe fett und finde das toll. Celebrate your curves. Neue Weiblichkeit. Ruben fand fette Frauen auch super. Ich liebe meinen Körper.
Ja. Toll. Ich mag Menschen, die ihren Körper mögen. Bleibt nur die Frage: wenn du deinen Körper magst, warum zerstörst du ihn dann?
Schon geringes Übergewicht wirkt sich negativ auf den Körper aus.
– Wobei, ist Übergewicht nicht nur eine fat shamende Kategorie der patriarchalischen Gesellschaft? Ist es nicht schon menschenverachtend, von „Übergewicht“ zu sprechen und dadurch Menschen in Normen einzuteilen: zu dürr – normal – fett? Wir wollen eine Kultur voller Vielfalt und Akzeptanz, wozu brauchen wir da solche einschränkenden Labels, die Menschen den Stempel „minderwertig“ aufdrücken und zu Diskriminierung führen? Stoppt den Magerwahn!
Tut mir leid, aber das ist Quatsch.
Die Einteilungen in Untergewicht, Normalgewicht und Übergewicht basieren auf medizinischen Erkenntnissen. Heißt: es hat schon seinen Sinn, warum man bei einer Größe von hundertsechzig Zentimetern und einem Gewicht von hundertzwanzig Kilogramm als adipös, übergewichtig, fett gilt. Wenn man nicht gerade ein Body Builder ist oder ein anderes Körperextrem vertritt, kann einem der BMI da schon sehr weiterhelfen.
Übergewicht ist keine Kategorie, die Menschen in höher- oder minderwertig einteilt, Übergewicht ist eine Kategorie, die dir anzeigt, ob dein Gewicht gut für deinen Körper ist. Sie sagt nichts über deine Intelligenz, deinen Charakter, deine Schönheit oder deinen Wert aus. Nur: dein Gewicht ist nicht gesund. Das ist kein fat shaming, sondern die Wahrheit. Sorry.
Adipositas wirkt sich nämlich tatsächlich auf deine Gesundheit aus und kann unter anderem zu
geringerer Belastbarkeit
Atemstillstand während des Schlafens
vermehrtem Schwitzen
Rücken- und Gelenkschmerzen
und zahlreichen Folgeerkrankungen führen.
Als da wären, zum Beispiel, ein dreifach höheres Risiko, Krankheiten zu bekommen wie:
Diabetes mellitus Typ 2
Gallenblasenerkrankungen
Bluthochdruck
Fettstoffwechselstörungen
Atembeschwerden
Schlafapnoe,
ein zwei- bis dreimal häufigeres Risiko, …
Herzkrankheiten
Arthrose
oder Gicht zu bekommen
und ein bis zu zweifaches Risiko, verglichen mit Normalgewichtigen, unter
bestimmten Krebserkrankungen (Gebärmutter-, Brust-, Gebärmutterhals-, Prostata- und Gallenblasenkarzinom)
Sexualhormonstörungen
und Rückenschmerzen
zu leiden.
Zusätzlich: ein höheres Risiko für Thrombosen und Embolien und ein höheres Risiko für Komplikationen bei Operationen und Narkosen. Nice.
Mehr findest du hier.

Und, als kleines Schmankerl nebenbei: ich habe mehrere Praktika in Krankenhäusern gemacht und dort unter anderem bei der Pflege mitgeholfen. Die Patienten waren zum Teil frisch operiert oder standen vor einer Operation, erstaunlich viele waren übergewichtig und/oder bettlägerig. Glaubt mir, es ist schon so für viele Menschen nicht schön, sich nicht alleine waschen oder anziehen zu können, weil sie Schmerzen haben. Wenn du das nicht mehr kannst, weil du dazu auch noch einfach zu fett und zu erschöpft bist, ist das noch einmal eine andere Nummer. … und bitte, es gibt für Krankenschwestern und Pfleger wenig, was anstrengender ist als die Mobilisierung eines übergewichtigen Patienten. Wobei, manche kann man nicht einmal mehr mobilisieren, Stichwort Bettlägrigkeit. Einmal fürs Kopfkino: übergewichtige, schon morbid adipöse Patientin, die sich wegen ihres Übergewichts nicht mehr alleine bewegen kann und an Inkontinenz, Durchfall, wundgelegenen Stellen und Scheidenpilz leidet. Nee, super – die ganzen Speckfalten erleichtern es natürlich ungemein, die Frau zu pflegen. (Nur mal so: das ist kein Angriff gegen die Patientin. Sie war ein absolut lieber und wundervoller Mensch, tat mir wirklich leid und hat so gut mitgeholfen, wie sie konnte, nur hätte sie eben einen Ticken mehr Lebensqualität und Selbstständigkeit erhalten, wäre sie nicht so verdammt fett gewesen.)
Fat Acceptance ist ungefähr so, als würden sich die Raucher, Drogensüchtigen und Alkoholiker dieser Welt zusammen tun, um eine Selbsthilfeverhätschelgruppe zu gründen, in der sie sich hinsetzen und erklären, dass ihre Süchte und Krankheiten total toll sind, seitdem sie es geschafft haben, sie zu akzeptieren und sie zu lieben, dass ein Entzug viel schmerzvoller wäre als die Krankheiten, zu denen die langsame Zerstörung ihres Körpers irgendwann führen wird und dass die Kritik der Gesellschaft einzig und allein daran liegt, dass sie nicht dem „gesunden“ und „spießigen“ Schönheitsideal der heutigen Zeit entsprechen. Bäms. Super. Nein, wirklich, es ist toll, wenn man sich schon Arme und Beine zerstochen hat und irgendwann im Krankenhaus liegt, weil eine infizierte Einstichstelle in der Leiste dazu geführt hat, dass das gesamte Bein entzündet ist und die Gefahr besteht, dass das Bein amputiert werden muss. – Krankenhauserfahrungen lassen grüßen…

Noch einmal: ich habe nichts dagegen, wenn Menschen beschließen, ihren Körper zu lieben und zu akzeptieren. Ich stelle nur mal die blöde Frage in den Raum: wenn du ein Kind hast, das du liebst, würdest du es dann schlagen, verhungern lassen, vergiften oder vom Balkon werfen? Ja? Okay, dann bitte ab zum nächsten Therapeuten deines Vertrauens, aber an den Rest:
Bitte, Leute. Ihr habt nur diesen einen Körper, und wenn ihr ihn wirklich liebt, dann tut ihm verdammt noch mal etwas Gutes und nehmt ab, anstatt darüber zu lamentieren, dass die Akzeptanz eures Fettseins ja so toll und okay und begrüßenswert ist. Jedes Kilogramm weniger, das euch zum Normalgewicht bringt, ist großartig. Tut es einfach.
Das geht im Grunde ganz einfach: nehmt weniger Kalorien zu euch, als ihr verbraucht. Mehr zu dem Thema könnt ihr auch hier finden, wenn ihr mögt, übers Abnehmen an sich möchte ich gerade nämlich nicht wirklich schreiben.
Aber bitte, verdammt, hört auf, euren Selbstbetrug in der Welt zu verbreiten und so zu tun, als wäre das alles toll. Das ist es nicht. Und wenn sich jetzt jemand darüber beschwert, dass mich das alles gar nichts angeht und ich ja auch keinem Fetten auf der Straße sage, dass er abnehmen soll: der Fette auf der Straße stellt sich auch nicht mitten auf die Fahrbahn und schreit, dass er seine morbide Adipositas super findet und das der perfekte Lifestyle ist.

Akzeptiert nicht euer Fett, sondern euren Körper, und dann macht was, damit es ihm besser geht.

Warum ich Fat Acceptance scheiße finde.

2 Gedanken zu “Warum ich Fat Acceptance scheiße finde.

  1. „Weisst du, warum dicke Leute nicht gemocht werden?“ fragte sie, und gab sich gleich selbst die Antwort. „Ganz einfach: Weil es so offensichtlich ist, dass sie sich zuviel herausgenommen haben.“

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